Happy-End für Problemhund Betty

Oberhessische Presse 23.09.2014
Serie „tierisch – menschlich“

Es war Liebe auf den ersten Blick – und wenn das Herz spricht, schweigt die Vernunft. Sonst hätte sich Rebekka Diebold wohl auch kaum die Bernhardinerdame Betty aus dem Cappeler Tierheim mit nach Hause genommen.

Happy-End-fuer-Problemhund-Betty__Foto_Heike_DoehnMarburg. Denn Betty ist ein echter „Problemhund“. In den 16 Monaten ihres Hundelebens hat Betty schon allerhand erlebt, und nicht viel Gutes. Was genau ihr widerfahren ist, das weiß ihr neues Frauchen nicht. Sie kennt Bettys Geschichte von dem Zeitpunkt an, als die Hündin vor acht Monaten ins Tierheim kam. Aber Rebekka Diebold weiß, dass das Tier in den ersten Lebensmonaten sechsmal hin- und hergeschoben wurde. Ein siebtes Mal musste sie diese Erfahrung nach ihrer ersten Vermittlung aus dem Cappeler Tierheim im März machen.

Betty kann absolut nicht allein bleiben

Der Grund, warum die neuen Besitzer aufgaben: Betty kann absolut nicht allein bleiben. „Sie hat totale Angst, verlassen zu werden, weil sie nie wirklich eine Bezugsperson hatte“, sagt Diebold. Kein Wunder bei ihrer Vorgeschichte. Und als sie dann doch einmal allein bleiben musste, nahm sie die Wohnung auseinander, riss in ihrer Panik sogar Streckdosen aus den Wänden. Der Schaden betrug mehrere tausend Euro, der Hund wanderte zurück ins Tierheim.

Und da war Betty bald nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hörte auf zu fressen, verlor ihr Fell. „Sie war wirklich depressiv“, sagt ihr Frauchen. Die junge Studentin hatte im Elternhaus immer einen Hund und wollte sich im Mai eigentlich nur als Gassigeher engagieren. Doch dann sah sie Betty, und es war um sie geschehen. „Ich bin praktisch jeden Tag ins Tierheim gegangen und habe mich um sie gekümmert“, erzählt sie. Wenn Rebekka Diebold sie von Hand fütterte, nahm der Hund sogar wieder Nahrung zu sich.

„Es war eine schwere Entscheidung, ob ich sie aufnehmen soll“, sagt Diebold. Denn Betty ist auch sehr krank: Sie hat eine Hüftdysplasie, eine Fehlentwicklung des Hüftgelenks, wegen der sie beim Laufen ständig Schmerzen hat. Sie ist im Tierheim schon behandelt worden, hat Physiotherapie bekommen, um die Muskulatur aufzubauen. Und die braucht sie weiterhin, außerdem eine teure Operation und ebenso teure Medikamente. Und das Futter für so einen großen Hund kostet auch einiges. Insgesamt kommen monatliche Kosten von mehreren hundert Euro zusammen, so dass Rebekka Diebold inzwischen neben dem Studium der Friedens- und Konfliktforschung noch vier Nebenjobs im Home-Office hat, um alles finanzieren zu können. Und das, obwohl das Tierheim sie immer noch finanziell unterstützt, damit Betty umfassend behandelt werden kann.
Bettys Therapie und ihre Erziehung kosten viel Zeit, denn der traumatisierte Hund braucht viel Konsequenz und Führung.

Außerdem ist Rebekka Diebold mit ihrem Freund aus der Marburger Oberstadt nach Fronhausen in eine Wohnung mit Garten gezogen – auch wegen Betty. Warum tut sie das alles? „Sie ist einfach ein toller, total lieber Kuschelhund – und ich habe gewusst: entweder ich mache es, oder keiner.“

Hündin kann wieder tief und entspannt schlafen

Und das hätte wohl Bettys Tod bedeutet. Eigentlich sollte sie bis zum 1. September – nach dem Umzug – im Tierheim bleiben, doch schon im Juli brach sie entkräftet zusammen und Rebekka Diebold nahm sie spontan auf. Um die Zeit zu überbrücken, musste sie samt Hund sechs Wochen bei ihren Eltern unterkommen, auch das tat sie, ohne zu zögern.

Inzwischen ist Betty im neuen Zuhause angekommen und liebt ihre „Familie“ über alles. „Sie macht Fortschritte“, lächelt ihr Frauchen. „Inzwischen kann ich sogar manchmal ohne sie aufs Klo gehen.“ Nachts steht der Hund alle paar Stunden auf, um zu kontrollieren, ob seine Rudelmitglieder auch wirklich noch da sind. Aber sie beginnt, im Garten ihre eigenen Wege zu gehen, hat Kommandos gelernt, zehn Kilo zugenommen und kann wieder tief und entspannt schlafen. Es liegt noch ein weiter Weg vor Rebekka und Betty, aber die Hundefreundin ist sich sicher, dass alle einen Hauptgewinn gezogen haben – Betty und ihre neue Familie.

von Heike Döhn

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